Familienrichter nach Corona-Masken-Entscheidung verurteilt

Erschienen am 23.08.2023

Vor etwa zweieinhalb Jahren fällt ein Familienrichter in Weimar eine bundesweit beachtete Entscheidung: Er erklärte die Corona-Maskenpflicht an zwei Schulen für unzulässig. Dabei hat er sich nach Einschätzung des Landgerichts Erfurt strafbar gemacht. Eine Figur der blinden Justitia. Bild: Sonja Wurtscheid/dpa/Symbolbild

Erfurt.
Nach seiner Entscheidung zur Corona-Maskenpflicht an zwei Weimarer Schulen ist ein Familienrichter der Rechtsbeugung schuldig gesprochen worden. Der Jurist werde zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Jahren verurteilt, sagte der Vorsitzende Richter der zuständigen Kammer des Landgerichts Erfurt am Mittwoch. Die Strafe werde zur Bewährung ausgesetzt.

Der Mann habe ein Urteil gefällt, "das er von vorneherein so beabsichtigt hatte". Das Verfahren, in dem er seine Entscheidung fällte, habe er aktiv generiert. "Aus unserer Sicht bestehen deshalb keine Zweifel an der Befangenheit", sagte der Vorsitzende Richter. Damit sei der Straftatbestand der Rechtsbeugung erfüllt - und das in einer besonders gravierenden Weise. "Man muss lange suchen, wenn man einen vergleichbaren Fall sehen will", so der Vorsitzende Richter.

Der 60-jährige Familienrichter des Amtsgerichts Weimar hatte im April 2021 mit einer von ihm verfassten Entscheidung verfügt, dass Kinder an zwei Schulen in Weimar entgegen des damals geltenden Hygienekonzepts des Thüringer Bildungsministeriums keine Corona-Masken im Unterricht tragen müssten. Dazu hatte er mehrere Gutachten eingeholt und diese in seiner Entscheidung zitiert. Seine Entscheidung wurde später durch Folgeinstanzen aufgehoben. Er war für derartige Entscheidungen gar nicht zuständig.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt hatte den Familienrichter wegen Rechtsbeugung angeklagt und drei Jahre Haft gefordert - nicht, weil er eine juristisch umstrittene Entscheidung getroffen hatte, sondern, weil er an der Vorbereitung des seiner Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren selbst mitgewirkt hatte. Die Verteidiger des Juristen hatten einen Freispruch für ihn beantragt.

Bei der Urteilsbegründung erklärte nun auch der Vorsitzende Richter, der 60-Jährige werde wegen Rechtsbeugung verurteilt, weil er versucht habe, zu vertuschen, dass er an der Vorbereitung des entsprechenden Gerichtsverfahrens unmittelbar beteiligt gewesen war.

Nach der Überzeugung des Landgerichts hat die Beweisaufnahme in dem Verfahren eindeutig gezeigt, wie sehr der Richter schon Wochen vor seiner Entscheidung daran gearbeitet hatte, eine Familie zu finden, für deren Kinder er ein Kinderschutzverfahren führen konnte. Auch bei der Auswahl der Gutachter sei der Mann befangen gewesen, sagte der Vorsitzende Richter. "Sie haben sie ausgewählt, um das Ergebnis, das Ihnen von vorneherein vorschwebte, gutachterlich zu begründen."

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof ist möglich. Von der Staatsanwaltschaft hieß es, sie prüfe Rechtsmittel. "Ich denke nicht, dass dieses Urteil Bestand haben kann", sagte ein Anwalt des Familienrichters.

Ein Richterdienstgericht hat den Familienrichter bereits vorläufig seines Amtes enthoben. Seitens des Thüringer Justizministeriums hieß es, dass die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet werden müsste. Dann würden gegebenenfalls Konsequenzen im weiteren Umgang mit dem Familienrichter gezogen werden.

Im Deutschen Richtergesetz heißt es, dass ein wegen einer vorsätzlichen Tat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilter Richter aus dem Richteramt entlassen werden muss. (dpa)

Deutsches Richtergesetz § 24
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